"Ein Kindergarten für alle Kinder" - Zwischenbericht FaBi
3 Projektverlauf im Assistenz- und Beratungsdienst
- 3.1 Aktivitäten
- 3.2 Prozesse - Erste Erfahrungen
- 3.2.1 Organisation der Assistenz
- 3.2.2 Wirtschaftlichkeit
- 3.2.3 Institutionelles know how: arbeitsrechtliche und vertragsrechtliche Aspekte im Konstrukt der Eingliederungshilfen
- 3.2.4 Genehmigungsverlauf - Bearbeitungszeiten der Behörden
- 3.3 Kooperationserfahrungen
- 3.4 Öffentlichkeitsarbeit
- 3.5 Weiterführende Aspekte
3.1 Aktivitäten

Im folgenden werden die Aktivitäten des Projekts im Verlauf dargestellt und
für das Jahr 2001 in drei Phasen untergliedert.
In der ersten Arbeitsphase des Projekts mussten mit Beteiligung der
wissenschaftlichen Begleitung drei wesentliche Aufgaben bewältigt
werden:
- Die Vorbereitung der MitarbeiterInnen auf das Arbeitsgebiet der Integration
im Kindergarten.
Hierzu gehörten die Vermittlung der Geschichte und Stand des Projekts bzw. der Prozesse, der gegenwärtigen Diskussionen und Vorgaben sowie die Einbindung in die Ziele und Inhalte des Trägers. Darüber hinaus konnten sich die Mitarbeiterinnen über Hospitationen in verschiedenen Kindergartengruppen über die Situation vor Ort detailliert informieren. Ziel dieser Einarbeitungs- und Konstruktionsphase lag in der Erarbeitung einer konsensfähigen Basis und Haltung zur Realisierung von Integrationsprozessen für Kindern mit Assistenzbedarf im Vorschulbereich. - Der Aufbau einer Verwaltung und einer Organisationsstruktur.
In den Räumen der Arbeitsgemeinschaft Integration mußte mit begrenzten Mitteln eine an heutigen Verhältnissen angepasste Büro- und Kommunikationsstruktur entwickelt und eingerichtet werden. Innerhalb des Projekts mußten die Aufgaben und Abläufe festgelegt werden, außerhalb die Kooperationen und Verantwortlichkeiten mit den verschiedenen PartnerInnen entwickelt und geklärt werden. - Vorbereitung der öffentlichen Präsentation des Projekts.
Für die ersten Schritte in die Öffentlichkeit wurden die zentralen Standpunkte, Aufgaben und Ziele für das Projekt erarbeitet und in einen Flyer umgesetzt. Weiterhin wurden die Vorgehensweise und Wege in die Praxis erarbeitet.
Die zweite Arbeitsphase bestand in den ersten Schritten in die Praxis:
Die Präsentation des Projekts in der Öffentlichkeit sowie die
schriftliche Vorstellung und Kontaktaufnahme mit möglichst vielen
potentiellen KooperationspartnerInnen. Zur gleichen Zeit begann die Vorstellung
des Projekts in den verschiedenen Fachstellen, Arbeitsgruppen und Gremien. Bis
heute ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen.
Mit dieser Phase begann auch die Suche nach Personen, die eine Assistenz
übernehmen könnten und in die Kartei des Assistenzpools mit
aufgenommen werden wollten. Über die ersten Kontakte zu Einrichtungen,
Eltern und Öffentlichkeitsarbeit etc. wurde auch die Suche nach
möglichen Integrationssituationen aufgenommen.
Die dritte Arbeitsphase kann als Beginn der konkreten Vermittlungstätigkeit bezeichnet werden. Nach den ersten drei Monaten kamen einzelne Anfragen zur Übernahme von Assistenzsituationen. Aufgrund der finanziellen Voraussetzungen des Projekts haben die Mitarbeiterinnen die ersten Assistenzstellen selbst übernommen, so dass ab Juli 2001 und September 2001 die Mitarbeiterinnen vier Stunden in der Woche Assistenz im Kindergarten leisten. Diese eigenen Praxiserfahrungen im Kindergarten sehen die Mitarbeiterinnen als eine wichtige Basis für die Beratungs- und Vermittlungsarbeit. Es bleibt aber offen, ob das Zeitbudget der Mitarbeiterinnen auf Dauer diese Assistenztätigkeit zulassen wird.
Von Monat zu Monat sind die Anfragen angestiegen, so dass die Abklärung
von Assistenzsituationen den Schwerpunkt der Arbeit bilden.
In dieser Phase haben auch die rechtlichen Fragen hinsichtlich der
unterschiedlichen Verträge viel Raum eingenommen.
Zentrale Aktivitäten auf einen Blick - eine Auflistung:
- Konzeption einer öffentlichen Präsentation des Projekts
- Entwicklung von Arbeitsverträgen von AssistentInnen
- Entwicklung von Beauftragungsverträgen mit Trägern
- Kontakt- und Kooperationsaufbau im Landkreis Reutlingen
- Erste Vermittlung von AssistentInnen
3.2 Prozesse - Erste Erfahrungen
3.2.1 Organisation der Assistenz
Wie in der Projektkonzeption erwähnt, sind in Reutlingen schon einige Kinder mit Assistenzbedarf vor der Einführung der Richtlinien in Kindergärten aufgenommen worden. Gleichzeitig wurden diese positiven Integrationsbeispiele im Kindergarten in den letzten Jahren nie zum Anlass genommen, sie für eine öffentlich formulierte Integrationspolitik in Stadt- und Landkreis zu nutzen. Die Erwartungen hinsichtlich einer gemeinsamen Basis für eine integrative Kindergartenausrichtung waren deshalb zu Projektbeginn gedämpft und stärker darauf fokussiert, Überzeugungsarbeit zu leisten.
In den Überlegungen der Projektentwicklung wurden schon frühzeitig
verschiedene Kooperationspartner auf eine Mitarbeit und Zusammenarbeit
angesprochen. Neben der Stadt, als größtem Kindergartenträger
in Reutlingen und dem Landkreis mit seiner Schlüsselfunktion betraf dies
noch freie Träger, die für die Unterstützung von Menschen mit
Assistenzbedarf zuständig sind. Neben einer grundsätzlichen
Gesprächsbereitschaft standen wir skeptischen Haltungen gegenüber,
die zum Teil aus den bisherigen schwierigen Erfahrungen mit der Organisation
von flexiblen AssistentInnen gesammelt wurden. Darüber hinaus gab es auch
Widerstände im Vorfeld, die sich vor allem auf die Kooperationsbedingungen
und Kooperationszusicherungen bezogen.
Mit dem Beginn des Assistenzdienstes im März 2001 hat sich relativ schnell
eine veränderte Situation und eine enge Kooperation mit der Fachberatung
der Stadt Reutlingen ergeben. Die Fachberatung der Stadt Reutlingen legt den
Kindergärten inzwischen nahe, bei konkreten Anfragen von Kindern mit
Behinderungen, die über die Richtlinien gefördert werden, FABI zu
engagieren.
In konkreten Zahlen hat sich bisher folgende Vermittlung ergeben: 15
AssistentInnen wurden in Stadt/Landkreis vermittelt, weitere stehen
demnächst an, so dass die zu Projektbeginn nicht abzuschätzende
Nachfrageentwicklung positiv verlief.
In der Regel verlaufen die Anfragen an FABI im Moment in ganz kurzfristigen
Zeitdimensionen. Die Vorabsprachen stehen meistens kurz vor dem Abschluß,
der Bescheid vom Amt ist die einzige Wartezeit. In dieser Spanne soll eine
kompetente AssistentIn gefunden werden, auch wenn die Rahmenbedingungen, wie
z.B. wieviel Stunden Begleitung in der Woche zur Verfügung stehen, noch
nicht bewilligt sind.
Bei einigen Anfragen wurde FABI mit Situationen konfrontiert, die auf
Vereinbarungen basierten, dass Kinder mit Assistenzbedarf nur mit der
AssistentIn den Kindergarten besuchen konnten. Die regulären Besuchszeiten
standen somit dem Kind und der Familie nicht zur Verfügung. Außerdem
mußte bei Krankheit der Assistentin das Kind auch zuhause bleiben. So
mussten wir in Einzelsituationen eine Beauftragung ablehnen. Ein Weg zur
Inklusion ist hier noch zu entwickeln.
3.2.2 Wirtschaftlichkeit
Eine
schwierige Frage war die Festlegung der Stundensätze, die den
Kindergartenträgern für die Bereitstellung der AssistentInnen
berechnet werden. Hier wurden wir mehrmals mit Vorstellungen z.B. von
TrägervertreterInnen einer großen Einrichtung konfrontiert, die
jenseits einer vertretbaren Größe lagen (12-15 DM pro Stunde).
Unsere eigenen Berechnungen lagen für Erzieherinnen etwa bei DM 70.-- und
orientierten sich an Erfahrungen in anderen Bereichen. Aus pragmatischen
Überlegungen und dem Wunsch, die erste Projektphase nicht am Geld
scheitern zu lassen, haben wir uns nach langem Ringen in der Projektgruppe
für einen Einstiegssatz von DM 50.- geeinigt, was nur durch die
Zuschüsse der "Aktion Mensch" möglich ist. Mitte des Jahres werden
wir anhand der Datenerhebung erkennen können, welcher Satz notwendig
wäre, um kostendeckend zu arbeiten.
Eine wirtschaftliche Betrachtung der Pauschalen läßt noch viele
Fragen offen: Was kann mit den Eingliederungshilfen finanziert werden?
Ausschließlich die Assistenzstunden? Wer finanziert die Beratung? Welchen
Beitrag könnten andere Stellen leisten, um einen Assistenzdienst zu
finanzieren?
Die Auswirkungen dieser schwierigen Finanzierungssituation führten in der
Anfangsphase des Projekts bei den MitarbeiterInnen des Assistenz- und
Beratungsdienstes zu Sorgen um den Erhalt des Projekts und um die Sicherung der
eigenen Stellen. Zudem wurde zu Beginn des Projekts durch die Einarbeitung, die
Öffentlichkeitsarbeit u.a. über einen längeren Zeitraum keine
Einnahmen erzielt und somit die Geduld und Zuversicht schon auf eine harte
Probe gestellt. Mit dem Rücken zur Wand - so kann die erste Phase des
Projekts für die Mitarbeiterinnen und den Vorstand beschrieben werden.
Weil sich u.a. die Zahl der Anfragen erhöht hat, sehen die
Mitarbeiterinnen sowie der Träger zwar immer noch die Finanzunsicherheit,
aber sie erhält keine dominante Stellung im Alltag. Die Vermittlungsquote
der AssistentInnen hat einen positiven Effekt erzeugt, so dass die
wirtschaftliche Frage weniger vom Bedarf und der Nachfrage abhängt,
sondern grundsätzlich von der Finanzierung der realen Kosten eines
Beratungsdienstes.
Hier sind aus der Sicht aller Beteiligten -wissenschaftliche Begleitung,
MitarbeiterInnen, Träger- noch wichtige Fragen zu klären: Wie
können die Fixkosten einer Organisation, die qualitative Assistenz
vermittelt und somit auch im hohe Maße mit Beratungsaufgaben konfrontiert
ist, finanziert werden?
Wir haben deshalb begonnen, exemplarisch einzelne Situationen von Beginn an mit
zeitlichem Aufwand in den einzelnen Bereichen zu erfassen, um am Ende den
Aufwand dokumentieren und Fragen nach der Finanzierung diskutieren zu
können. Es zeichnet sich dabei ab, dass schon in der Klärungsphase im
Vorfeld bei einigen Situationen sehr viel Zeit investiert werden muss, bevor
das Kind die erste Stunde im Kindergarten verbringen kann.
3.2.3 Institutionelles know how: arbeitsrechtliche und vertragsrechtliche Aspekte im Konstrukt der Eingliederungshilfen
Die Eingliederungshilfen in Form von Pauschalen lassen eine arbeitsrechtliche Gestaltung von Anstellungsverhältnissen offen. Das hat den positiven Effekt, dass bei der Suche nach AssistentInnen verschiedene Personengruppen für diese Arbeit gewonnen werden können.
Diesen offenen Vorgaben stehen große Umsetzungsprobleme bei der
Gestaltung von Arbeitsverträgen mit AssistentInnen gegenüber, die
sich aus gesetzlichen Vorgaben ergeben. Um dies zu verdeutlichen, ein Beispiel:
In der ersten Phase der Vertragsentwicklung für AssistentInnen sind wir
davon ausgegangen, dass wir den Assistentinnen den gleichen Status wie
ErzieherInnen einräumen, um eine Gleichstellung herzustellen und Unter-
bzw. Überordnungen zu vermeiden. In der Konsequenz bedeutet dies aber auch
einen Abschluß mit BAT-Konditionen. Der Vertragsentwurf wurde von
verschiedenen Seiten begutachtet, wobei die Einschätzungen von ExpertInnen
sehr unterschiedlich ausfielen. Nach langen Verhandlungen sind wir zu der
Konsequenz gekommen, dass ein Arbeitsvertrag im Bereich der
Eingliederungshilfen zwar eine Gehaltsanlehnung an BAT ermöglicht, aber
der BAT radikal aus dem Vertrag genommen werden muß. Verträge, die
sich auf den BAT beziehen und Regelungen wie z.B. besondere Gratifikationen,
Fortbildung etc. ausschließen möchten, müssen alle
Möglichkeiten den BAT schriftlich ausdrücklich herausnehmen - ein
schwieriges Unterfangen. Mit diesem Beispiel soll verdeutlicht werden, dass die
Handhabung der Rechtsprechung sehr unterschiedlich ist, so dass keine
eindeutigen Regelungen übernommen werden können. Der bisherige
Aufwand bestätigt, dass die Abnahme der Anstellungen von Assistentinnen
für die Träger eine große Entlastung darstellt.
Viele Träger sehen in der Kooperation mit FABI die Möglichkeit, ohne
den bisherigen Verwaltungsaufwand und die mit der Anstellung vorhandenen
Risiken, Integration im Kindergarten zu ermöglichen. In Vorgesprächen
mit Trägern hat sich gezeigt bzw. zeigt sich, dass viele Träger auf
den Wunsch nach Eingliederung von Kindern mit Assistenzbedarf zögernd bzw.
abwehrend reagier(t)en, weil u.a. der Verwaltungsaufwand und das Risiko bei der
Einstellung, Abwicklung und Weiterbeschäftigung von AssistentInnen sehr
hoch ist. Letzteres immer auch vor dem Hintergrund, dass bei wiederholten
Weiterbeschäftigungen evt. die Kettenverträge als rechtlich
unzulässig gelten könnten und eine Klage auf Festeinstellung ein zu
hohes Risiko darstellt. Wenn also schon große Träger - die
alltäglich mit Einstellungen, Eingruppierungen, rechtlichen Fragen
konfrontiert sind - bei der Assistenz an Grenzen kommen, ist es für einen
kleinen Verein unter den gegebenen Bedingungen ein Erfolg, hier diese Aufgaben
bewältigen zu können.
In diesem Aufgabengebiet konnte durch die Kooperation mit der
Gustav-Werner-Stiftung zum Bruderhaus Reutlingen ein kompetenter Partner
gefunden werden, der die Einstellungsformalitäten, Gehaltsberechnungen und
-abrechnungen für die AGI mitabwickelt.
Trotz dieser Unterstützung war es notwendig, relativ viel Zeit in
rechtliche Fragestellungen zu investieren. Aus den bisherigen Erfahrungen kann
aus der Projektverwaltung nur empfohlen werden, eine Rechtsberatung bei der
Gestaltung von Arbeitsverträgen mit einzubeziehen.
Trägerverträge
Im Vorfeld der Assistenzvermittlung stehen die Projektmitarbeiterinnen auch Trägern gegenüber, die ihre wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellen und Vertragsveränderungen einfordern. Mit der Haltung "wie kann ich möglichst wenig bezahlen" beschreibt eine Mitarbeiterin von FABI den Kampf um die Vertragsgestaltung. Dabei geht es vor allem um Situationen wie Krankheit des Kindes oder der AssistentIn und Bezahlung in den Ferien. Hier sehen wir zum einem einen enormen Bedarf an Vermittlung integrativer Inhalte, wie z. B. die Voraussetzung, dass das Kind auch in Zeiten, in denen keine Assistentin zur Verfügung steht, den Kindergarten besuchen kann oder dass bei kurzfristiger Krankheit des Kindes die Assistentin sinnvollerweise trotzdem ihre Stunden in der Gruppe verbringt. Zu klären bleibt noch, welche Möglichkeiten der Dienst bei längerer Krankheit der Assistentin anbieten kann.
Obwohl die Träger mit Vertragsabschlüssen vertraut sind, zeigen die
bisherigen Erfahrungen, dass wir hier bei einzelnen Partnern viel
Aufklärungsarbeit leisten müssen. Hierzu Beispiele: Bei einigen
Trägern muss der Dienst über Monate auf die Überweisung der
Eingliederungshilfen warten. Obwohl die unterzeichnete Beauftragung einen
rechtsverbindlichen Vertrag darstellt, versuchen einige Träger die
Vereinbarungen zu übergehen. Die Mitarbeiterinnen sehen sich hier einem
Legitimationsdruck ausgesetzt, weil gerade von Verwaltungsseite ein Wissen um
indirekte Leistungen aus ihren eigenen Erfahrungen bekannt ist, aber diese dem
Dienst nicht zugestanden werden. Deshalb wird das bisherige
Trägermerkblatt, in dem die wichtigsten Vertragsabläufe,
Zuständigkeiten und Bedingungen angesprochen sind, noch um ein Info
über die speziellen Leistungen des Dienstes ergänzt.
Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass qualitative Aspekte in der
Organisation und Bereitstellung von Inklusionsassistentinnen im Vordergrund
stehen. Dazu gehört, dass
- auf die Kontinuität der InklusionssassistentInnen Wert gelegt wird, damit eine zuverlässige Begleitung und Unterstützung wohnortsnah gewährleistet werden kann.
- eine qualifizierte MitarbeiterIn die Mitarbeit und Unterstützung hin zur Inklusion ermöglicht.
- eine spezifische Qualifizierung im Bereich der Inklusion die Motivation erhöht und Kompetenz der InklusionsassistentInnen erweitert.
- die Begleitung der AssistentInnen durch den Assistenz- und Beratungsdienst im Alltag eine Beratung mitbeinhaltet.
Ein Ziel muss auch darin liegen, die Träger in die Verantwortung zu nehmen. Deshalb dürfen nicht alle Leistungen und die Verantwortung nach dem derzeitigen mainstream "outsourcing" an den Dienst abgegeben werden. Dies lässt sich nur verwirklichen, wenn die Träger über community care oder sonstige Kooperations- und Zielvereinbarungen mit in die Verantwortung genommen werden. D.h. es braucht hier eine gemeinsame Zielvereinbarung mit den Trägern über Leistungen und Kostenverteilung.
Vertragsgestaltungen mit AssistentInnen
In der Regel haben die AssistentInnen aufgrund ihrer Lebenssituation einen
Anspruch auf einen regelversicherungspflichtigen Anstellungsvertrag.
Honorarverträge können vor dem Hintergrund der rechtlichen Vorgaben
bei dem Status der Assistentinnen in der Regel nicht abgeschlossen werden.
Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der
GeringverdienerInnen-Vergütung zeigen bei diesem Vertragsabschluß
auch Schwachstellen, die bedenkenswert erscheinen. Die
Freistellungserklärung des Finanzamts reicht eigentlich für einen
Vertragsabschluss aus, kann aber in Einzelfällen aufgrund von
persönlichen Einkünften, z. B. aus Mietverhältnissen, eine
Versicherungspflicht nicht ausschließen. Von der Assistentin muss
eigentlich zur klaren Absicherung eine Eigenerklärung unterschrieben
werden, in der sie versichert, dass sie keine persönlichen Einkünfte
hat. Bei Falschangabe besteht dann eine Schadenersatzverpflichtung über
die Höhe der Versicherungsbeiträge, die über den
zivilrechtlichen Weg vom Dienst eingeklagt werden kann.
3.2.4 Genehmigungsverlauf - Bearbeitungszeiten der Behörden
Aus
den bisherigen Rückmeldungen von Trägern und Erzieherinnen wird die
Bearbeitung der Anträge zu Eingliederungshilfen seit der Einführung
der Richtlinien und der Zuständigkeit des Landeswohlfahrtverbands positiv
beschrieben.
Die Bearbeitungszeit ist wesentlich kürzer. Dies bestätigt sich auch
außerhalb unseres Landkreises. Während es früher bis zu
eineinhalb Jahren dauern konnte, bis die Eingliederungshilfen genehmigt wurden,
geht es heute innerhalb von den drei Monaten, die ja inzwischen gesetzlich
vorgeschrieben sind.
Bei der Beantragung von Eingliederungshilfen können wir aus unseren bisherigen Erfahrungen diese positiven Veränderungen tendenziell bestätigen. Wenn Verzögerungen eintreten, liegen sie eher am Sozialamt des Landkreises.
3.3 Kooperationserfahrungen
Vom
ersten Gespräch an verlief die Kooperation mit der
interdisziplinären Frühförderstelle sehr konstruktiv. In
einem gemeinsamen Treffen wurde offen über die Situation im Landkreis
informiert. Über die jeweiligen originären Arbeitsbereiche der
Dienste sowie über die Haltung zur Integration bestand eine hohe
Übereinstimmung. Die vielfältigen Erfahrungen der
interdisziplinären Frühförderstelle in integrativen Situationen
sind unter zwei Aspekten für den Start des Projekts besonders interessant.
Zum einem kommt die interdisziplinäre Frühförderstelle auf dem
Hintergrund ihrer eigenen Geschichte zur Einschätzung, dass in der
Vergangenheit der Landkreis Reutlingen in bezug auf Integration ein
"schwieriges Pflaster" darstellte, jedoch durch die neuen Richtlinien eine
Veränderung möglich scheint. Zum anderen wird nochmals die
Problematik von Kindern aufgegriffen, die nur stundenweise mit der Assistentin
kommen können. Es besteht hier die Gefahr, dass integrative Ansätze
gleich auch wieder Ausgrenzung mitkonstruieren. Aus der Sicht des betroffenen
Kindes kann, wie es eine Mitarbeiterin formulierte, das Gefühl entstehen:
"Ich scheine im Kindergarten zuviel zu sein".
Die gute Zusammenarbeit spiegelt sich auch in konkreten Alltagssituationen und
einem regelmäßigen Austausch wider.
Bei den Frühberatungsstellen im Landkreis sind stärkere Widerstände und Ängste gegenüber dem Projekt und dessen Zielen in den Gesprächen sichtbar. Vor allem bestehen die Sorgen darin, dass durch die Integration in den Regelkindergarten bei den Eltern Erwartungen geweckt und unterstützt werden, die zu Überlegungen nach Fortsetzung der Integration in die Regelschule führen und den Bestand der Sonderschule gefährden könnten. Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, dass die Zuständigkeit und ein Arbeitsfeld wegfallen könnten und somit auch Einflußmöglichekeiten verloren gehen.
Eine positive Haltung von einigen Mitarbeiterinnen der Frühförderstellen gegenüber dem neuen Dienst FABI zeigt sich darin, dass sie es begrüßen, endlich eine Stelle zu haben, die für die Suche und Begleitung der AssistentIn verantwortlich ist und somit auch Unterstützung und Entlastung für die eigene Arbeit bietet.
Im Bereich der Fortbildung kam es schnell mit dem Landkreis
unverzüglich zu einer Kooperationsvereinbarung. Mit der Fachberatung wird
in diesem Jahr eine Fortbildung für "Tandems" - Erzieherinnen und die
jeweiligen InklusionsassistentInnen - angeboten.
Nur in Ansätzen entwickelt ist ansonsten die Kooperation mit den
zuständigen Stellen des Landkreises aufgrund von strukturellen
Veränderungen, nicht besetzten Stellen in der
Kindertagesstättenfachberatung des Landkreis etc. Die Handhabungen in
bezug auf den §35a KJHG sind noch nicht festgelegt, so dass hier noch
Entscheidungen abgewartet werden müssen. Die Zielgruppe der sogenannten
Kinder mit "seelischer Behinderung" wird bisher kaum nachgefragt. Seit kurzem
gibt es im Projekt eine Anfrage.
Für die Beratung für Träger im Landkreis in bezug auf die
Eingliederungshilfen gibt es einen Ansprechpartner.
In der Vermittlung von integrativen Situationen im Kindergarten ist aus Sicht
des Assistenz- und Beratungsdienstes eine Intensivierung der Kooperation
erwünscht.
Die Gespräche mit einer Vertreterin des Gesundheitsamtes bestätigen die positiven Rückmeldungen von Eltern und Beratungsstellen hinsichtlich der Kooperation und Unterstützung bei der Abwicklung des Formblatts A. Die Transparenz gegenüber allen Beteiligten sowie die zügige Bearbeitung werden geschätzt.
Fachberaterinnen äußern sich positiv über die Entlastung bei der Gestaltung des Abklärungsprozesses im Vorfeld sowie bei der ständigen Begleitung während der Gewährung von Eingliederungshilfen. Das beginnt bei der Suche nach AssistentInnen über die Vorgespräche mit den jeweiligen Gruppen bis hin zu den Regelungen zwischen den Erzieherinnen und AssistentInnen.
Ein strukturelles Problem für die Fachberaterinnen besteht ohne einen
zusätzlichen Dienst wie FABI darin, dass sie neben der fachlichen
Zuständigkeit auch durch ihre übergeordnete Eingebundenheit in die
Entscheidungsstrukturen bei Konflikten in doppelten Funktionen wahrgenommen
werden. Die Abgabe der Anstellungsverantwortung und Dienstaufsicht an FABI
löst strukturelle Rollenkonflikte und bietet somit eine bessere Basis der
jeweiligen Interessenvertretung.
Eine Fachberaterin zeichnet aus der bisherigen Begleitung der Assistentinnen
folgendes Bild: Die Assistentinnen schwimmen oft durch ihre schwierige und
nicht eindeutig festgelegte Rolle zwischen zwei Positionen: Der Auftrag wird
ausschließlich auf das Kind bezogen und für die Gruppe wird keine
Verantwortung übernommen oder aber die Assistentin begreift sich als Teil
der Gruppe und des Teams. Die Erwartungen der Gruppenerzieherinnen spiegeln
ebenso dieses Spannungsfeld, so dass immer wieder Konflikte auftauchen, wie z.
B. ob die Assistentin bei einer Gruppenaktion wie das Laternenlaufen mit geht
oder ob sie nur in Einzelsituationen arbeitet. Hier können sehr
unterschiedliche Welten aufeinandertreffen. Jegliche Einmischung der
Assistentin kann z. B. zuviel werden.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine Begleitung der Assistentin von
allen Beteiligten erwünscht ist.
Die Kooperationserfahrungen mit den ErzieherInnen werden von den
Mitarbeiterinnen des FABI überwiegend positiv eingeschätzt.
Während in der einjährigen Vorlaufphase des Projekts immer wieder
davon die Rede war, dass die ErzieherInnen in den Einrichtungen vor allem die
Erwartung haben, dass viele Assistenzstunden gewährt werden, kann dies aus
der Erfahrung der bisherigen Praxis nur beschränkt bestätigt werden.
Die erwarteten Konflikte blieben aus. Es zeigt sich bisher eine große
Bereitschaft der ErzieherInnen zur Umsetzung der Richtlinien, auch wenn sich
die Wochenstunden der Assistenz in Grenzen halten. Runde Tische tragen in der
Regel dazu bei, dass die Bedürfnisse der Kinder in den Vordergrund
gestellt werden und rein stundenbezogene Betrachtungen außen vor bleiben.
Ein weiteres Indiz für eine positive Entwicklung liegt in dem
artikulierten Fortbildungsinteresse von Erzieherinnen.
AssistentInnen in Kindergärten, die nicht über das Projekt angestellt sind, wenden sich an FABI und signalisieren Bedarf an Austausch. FABI wird deshalb in den nächsten Monaten Austauschmöglichkeiten in Gruppen einrichten, um diesem Bedürfnis nachzukommen. Die FABI-Mitarbeiterinnen nennen für diesen Bedarf folgende Gründe: Obwohl die Assistentinnen mit den Erzieherinnen in den Gruppen arbeiten, sind sie aufgrund ihres Status "Einzelkämpferinnen". Dies liegt daran, dass die Rolle der Assistentin im Team nicht klar bestimmt ist und dieses neue Feld mit Unsicherheiten verbunden ist. Der Kindergarten und auch die Assistentinnen haben oft noch keine klare Vorstellungen ihrer Aufgabe. Hier besteht eine gemeinsames Anliegen im Team, Strukturen und Inhalte zu formulieren und transparent zu machen (vgl. auch Fachberaterinnen).
Das Kooperationsangebot an die Eltern wird aufgrund der
Trägerkonstruktion Elternorganisation gut angenommen. Viele Anfragen
kommen von Eltern, auch Anfragen, die sich nicht nur auf den Kindergarten
beschränken. Wünschenswert wäre von Seiten der MitarbeiterInnen
des Beratungs- und Assistenzdienstes eine intensivere Arbeit mit Eltern, auch
mit Eltern von Kindergartenkindern ohne Behinderungen.
Nach den ersten öffentlichen Darstellungen des Projekts entwickelte sich
eine Kooperation mit der Fachschule für Erzieherinnen in
Reutlingen. Integrationspädagogik soll als ein Schwerpunkt in der
Ausbildung etabliert werden. Die Mitarbeiterinnen des FABI übernehmen die
inhaltliche Gestaltung des Seminarangebots. Aufgrund von zeitlichen
Kapazitäten musste diese Aufgabe außerhalb des Dienstauftrags gelegt
werden.
Diese Verankerung des Inklusionsthemas im Bereich der Ausbildung erachten wir
als eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des
Kindergartens zu einer Einrichtung für alle Kinder.
Im Bereich der Schule kam es zu verschiedenen Anfragen an das Projekt.
Die ersten Anfragen bezogen sich auf Eingliederungshilfe und Assistenz in
Förderschulen. Hier hat die Arbeitsgemeinschaft Integration als
Träger des FABI zurückhaltend reagiert, weil sich diese
Integrationsaufträge nicht auf eine Regeleinrichtung beziehen.
Seit kurzem ist von FABI eine schulische Integrationssituation übernommen
worden. Die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen sind schwierig, so dass
bisher eine positive Entwicklung noch nicht vorherzusehen ist.
Wir gehen davon aus, dass die Anfragen nach Eingliederung in die Grundschulen
zunehmen werden, sehen aber einen grundsätzlichen Klärungsbedarf bei
der Beauftragung des Dienstes und bei der Kooperation mit den Schulämtern,
damit eine Basis für integrative Schulpolitik möglich wird. Die
positiven Ergebnisse integrativer Schulpolitik der Pisa-Studie könnten
eine weitere Ermutigung sein, um integrative Erziehung zu etablieren (vgl.
Kapitel Aktueller Diskurs).
In finanzieller Hinsicht erhofften wir uns auf der kommunalpolitischen Ebene über einen Antrag zur Gewährung von "Offenen Hilfen" - für die Beratungsarbeit - Unterstützung von Stadt und Landkreis. Aufgrund des Projektcharakters möchten die Parteien aber keine Hilfen gewähren, um somit den tatsächlichen Aufwand für die Organisation eines Assistenzdienstes nicht zu verschleiern. Grundsätzlich wird die Arbeit des Projekts aber sehr positiv wahrgenommen und gewürdigt.
Darüber hinaus wurden mit vielen anderen Diensten in und außerhalb des Landkreises Kooperationsgespräche geführt. Dazu zählen u.a. Kinderkliniken, Lebenshilfe (Kaffehäusle/FEDER), Fachschulen für ErzieherInnen, heilpädagogische Fachdienste, Kinder- und Jugendpsychatrie.
3.4 Öffentlichkeitsarbeit
Unabhängig vom Projekt sehen wir in der Öffentlichkeit durch die Einführung der Richtlinien einen regen Zuwachs des Interesses an dem Thema Integration im Kindergarten. Dies zeigt sich auch an der starken Nachfrage im Bereich der Qualifizierung von Erzieherinnen und Assistentinnen und an den vielen Anfragen aus ganz Baden-Württemberg. Sichtbar wird das Interesse an dem Thema auch an Fortbildungsveranstaltungen zur Integration im Kindergarten in den verschiedenen Fortbildungsprogrammen in Baden-Württemberg.
Vor Ort ist das Projekt nach der konstituierenden Phase zunächst mit einer
Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gegangen.
In einem Informationsschreiben wurden alle Träger von
Kindergarteneinrichtungen, Fachdiensten für Kindergärten und
sonstigen Diensten im Vorschulbereich, wie z. B. Kinderarztpraxen angesprochen.
Beiliegend zu den Schreiben erhielten sie noch zur Verbreitung Flyer des
Dienstes. Die Kindergartenträger wurden gebeten, die Informationen an die
ErzieherInnen weiterzuleiten und bei Bedarf den Dienst in Anspruch zu nehmen.
Gleichzeitig wurde ein Informationsgespräch angeboten. Auf den Brief kamen
umgehend einzelne Anfragen.
Bei einer weiteren telephonischen Kontaktaufnahme zur Nachfrage über den
Bedarf wurde Interesse am Dienst geäußert, Interesse an weiteren
Informationen bekundet und bisherige positive Erfahrungen vermittelt. Bei
einigen Trägern so die Rückmeldung, seien die Informationen
allerdings auch untergegangen.
Die Informationsrunden mit FachberaterInnen im Landkreis und Gesprächen
mit Interessierten aus Württemberg-Hohenzollern hatten das Ziel, den
Dienst bekannt zu machen und Erfahrungen auszutauschen. Die Vorstellungen in
regionalen Arbeitskreisen von Erzieherinnen sind noch nicht abgeschlossen.
Dieser "direkte Draht" zu Erzieherinnen wird von den Mitarbeiterinnen sehr
positiv bewertet, weil in diesen Gesprächen detailliert das Anliegen
vorgestellt werden kann und die Erzieherinnen ihre bisherigen Erfahrungen mit
integrativen Situationen einbringen.
Die Größe des Landkreises zeigt Grenzen einer direkten
Informationspolitik auf. Obwohl über Zeitungsartikel, gezielte
Informationsbriefe an Träger oder Vorstellung des Dienstes in regionalen
Arbeitskreisen der ErzieherInnen positive Effekte erzielt werden, wäre
eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit wünschenswert.
Ein interessanter Effekt entstand durch den nicht alltäglichen Gebrauch
des Begriffs Inklusion, der aus dem europäischen Diskurs übernommen
wurde. Im Projekt selbst gab es zunächst einigen Widerstand, weil der
Begriff nicht geläufig ist, nicht verstanden wird, Fremdwörter auch
eine Sprachdominanz präsentieren, die andere Personen in die Rolle der
Unwissenden setzen können etc. Ein weiteres Gegenargument hieß: wir
sind doch im Moment ganz froh, dass sich viele Beteiligte gerade an den Begriff
der Integration gewöhnt haben.
Unsere AssistentInnen, die bisher z. B. EingliederungshelferIn, StützpädagogIn u.ä. heißen, nennen wir "InklusionsassistentIn" und sehen als Eingliederungsaufgabe die Inklusion im Kindergarten.
Zwei interessante Konsequenzen sind zu verzeichnen, die von allen Beteiligten an den Re-Konstruktionsgesprächen geteilt werden. Einerseits schafft der doch oft unbekannte Begriff der Inklusion Gesprächsbedarf, so dass damit ein Einstieg in grundlegende Vorstellungen von Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von Kindern mit Assistenzbedarf in Gang kommt. Andererseits ermöglicht der Begriff, Vorstellungen über Inklusion zu thematisieren und in der Regel stößt die Auseinandersetzung auf Interesse. Teilweise wird der Sprachgebrauch des Inklusionsbegriffs auch belächelt oder mit dem Argument der Sprachbarriere abgelehnt.
Eine andere wichtige Frage kommt bei den Frauen (Männer haben sich bisher
noch nicht als AssistentInnen gemeldet) auf, die die Assistenz übernehmen.
Was heißt es InklusionsassistentIn zu sein?
Die Präsenz und Darstellung in den Tageszeitungen hat dazu geführt,
dass auch Eltern direkt auf den Dienst zukommen und ihren Beratungsbedarf
formulieren. Einige Eltern haben auch Anfragen in Bezug auf den schulischen
Bereich. Hier sehen wir vorläufig wenig Möglichkeiten, den Eltern
eine konkrete Perspektive aufzuzeigen.
Die Erfahrungen der Mitarbeiterinnen bei Runden Tischen oder in regionalen
Arbeitskreisen zeigen, dass eine hinreichende Information über die
Möglichkeiten der Eingliederungshilfen noch nicht bei allen direkt
Beteiligten angekommen ist. Eine intensive Informationspolitik ist deshalb nach
wie vor notwendig.
Als einen ersten Schritt dazu haben wir eine homepage www.kigafueralle.de eingerichtet, in der neben dem aktuellen Stand im Projekt, Literatur etc. auch eine Vernetzung der Erfahrungen in Baden-Württemberg aufgebaut werden soll und sich jede Person von außen an einem Diskussionsforum beteiligen kann.
3.5 Weiterführende Aspekte
Konstrukt Eingliederungshilfe (Richtlinien für den Kindergarten)
Das Konstrukt Eingliederungshilfe geht von der besonderen Situation von Kindern mit Assistenzbedarf aus, die deshalb im Kindergarten besonderen Unterstützungsbedarf benötigen. Dieser Ansatz des Besonderen hat einerseits eine individuelle Seite, die der Unterschiedlichkeit von Lebenslagen gerecht wird. Andererseits besteht eine Gefahr aber auch darin, dass Kinder mit Assistenzbedarf besondere Voraussetzungen benötigen. Sie müssen verschiedenen Stationen durchlaufen, Gutachten und Empfehlungen erhalten, damit sie die Erlaubnis bekommen, Regeleinrichtungen zu besuchen. Diese Realitäten können für das Kind und die Eltern eine demütigende Situation schaffen. Ohne dass irgendein Gespräch oder eine Anfrage gestartet ist, gibt es ein Moment der Angst: "Darf mein Kind in den Kindergarten?" "Ist mein Kind integrierbar?" "Sind die Erzieherinnen und der Träger offen bzw. überhaupt in der Lage mit der Situation umzugehen?"
All diese Unsicherheiten, Abhängigkeiten und Besonderheiten ziehen die
Frage nach sich, wie die Eingliederungshilfe konstruiert sein und in das
Kindergartensystem eingebunden werden könnten, damit sich der Weg "ein
Kindergarten für alle" entwickeln kann. Was sind mögliche Schritte,
um die Integration und Inklusion von Kindern mit Assistenzbedarf als
gleichwertige und gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft, in der
Gemeinde und in dem Stadtteil voranzutreiben und sich das Besondere nur auf die
Frage bezieht, ob die vorhandenen Strukturen ergänzt werden müssen
oder Umstellungen im Kindergartenalltag nötig werden?
An verschiedenen Stellen ist schon angeklungen, dass für die Etablierung
eines integrativen Kindergartens neben den Rahmenbedingungen noch viele
bewußtseinsbildende Prozesse zum Verständnis von Inklusion
entwickelt werden müssen.
Die Richtlinien setzen ein hohes Maß an selbstverantwortlichem Handeln
der Träger voraus. Dies ist angezeigt; aber an den Diskussionen um reale
Integrationssituationen lässt sich erkennen, dass hier Investitionen
nötig sind.
Eigentlich kann es nicht angehen, dass in manchen Kindergärten
selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass ein Kind nur dann kommen
kann, wenn die AssistentIn auch im Kindergarten ist. Hier wirken die
gängigen Konstruktionsbilder von Normalität und Behinderung.
Gleichzeitig erleben wir einen Ort weiter eine Kindergartengruppe, den ein Kind
mit Assistenzbedarf ohne zusätzliche personelle und finanzielle Mittel wie
jedes andere Kind besuchen kann und erst durch die Richtlinien eine
Unterstützung in Anspruch genommen wird. In diesem Spannungsfeld bewegt
sich der Dienst.
Projektinterne Perspektiven
Eine zentrale Frage für das Jahr 2002 besteht in der Herausforderung, 40% der Personalkosten für die Mitarbeiterinnen des Projekts zu erarbeiten. Im Moment sehen wir durch unsere Kalkulationen eine realistische Chance, diesen Eigenanteil finanzieren zu können.
Innerhalb unserer eigenen Strukturen ist festzustellen, dass eine Stelle
"Projektmanagement" fehlt, die sich ausschließlich um die Belange der
Organisationsentwicklung, der Finanzierung und des Managements kümmert.
Wie in vielen Projekten ist dazu keine Finanzierung zu bekommen. Dabei besteht
die Gefahr, dass eine Erfahrung vieler Projekte wiederholt wird, Organisation
von Projekten wird nicht finanziert und der wissenschaftlichen Begleitung
übertragen und somit auch die Zeit von Begleitforschung verkürzt.
Einige Vorhaben für das erste Jahr - wie z. B. die Kooperation mit anderen
Landkreisen, konnte aufgrund der vielen arbeitsrechtlichen und vertraglichen
Abklärungsprozesse sowie der Schwierigkeiten bei der Etablierung des
Qualifizierungsprojekts noch nicht durchgeführt werden und müssen
deshalb für Anfang 2002 vorgesehen werden.
Eckpunkte zum Grundverständnis von InklusionsassistentInnen
-
Die InklusionsassistentIn arbeitet in der Gruppe, begleitet das Kind
und unterstützt das Team bei der Planung und Gestaltung inklusiver
Situationen. Die ErzieherIn hat die Verantwortung für alle Kinder. Sie
darf nicht an die InklusionsassistentIn delegiert werden.
è Die InklusionsassistentIn versucht in Zusammenarbeit mit den ErzieherInnen, anderen Fachkräften und den Eltern das Verhalten der Kinder zu verstehen, zu erklären und entsprechende Entwicklungsschritte anzubahnen. -
Die InklusionsassistentIn stärkt zusammen mit anderen Beteiligten
das soziale Netzwerk des Kindes in und außerhalb des Kindergartens, weil
die Qualität des Beziehungssystems sein emotionales Gleichgewicht, sein
soziales Verhalten und seine Motivation zum Lernen bestimmen.
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Die InklusionsassistentIn benötigt dafür u.a. folgende
Qualifikation: ein entsprechendes Verständnis der Lebenslage Behinderung,
eine sensible Wahrnehmungsfähigkeit, fachliche (z. B.
enwicklungspsychologische, integrationspädagogische) und
kommunikativKompetenzen, sowie die Bereitschaft zur (Selbst-)Reflexion.
(Projektinternes Grundlagenpapier 2/2002)