Arbeitsbegleitende Qualifizierung von InklusionsassistentInnen und anderen pädagogischen Fachkräften

in Zusammenarbeit mit dem Beratungs- und Assistenzdienst zur Unterstützung der Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindergärten in Stadt Reutlingen und Landkreis Reutlingen

Bei diesem Vorhaben handelt es sich um zwei Projekte, die in einem engem Zusammenhang stehen. Ausgangspunkt waren die Überlegungen zu einem Beratungs- und Assistenzdienst, die dann um die Dimension der Qualifizierung erweitert wurden.


1. Voraussetzungen des Projekts Beratungs- und Assistenzdienstes

Auf dem Hintergrund der sich abzeichnenden positiven Perspektiven im Bereich der Integration im Kindergartenbereich in Baden-Württemberg (Kindergartengesetz, "Richtlinien für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Kindergärten und allgemeinen Schulen") entwickelte die Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V. zusammen mit der Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg eine Konzeption für einen Beratungs- und Assistenzdienst zur Unterstützung der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Kindertageseinrichtungen in Stadt und Landkreis Reutlingen.

Das Landessozialamt und das Landesjugendamt Württ.-Hohenzollern haben in Abstimmung mit der Leitung der Sozialämter in Stadt und Landkreis beschlossen, die Richtlinien in Reutlingen auf der Basis dieser Konzeption modellhaft zu erproben. Dafür wurde in Trägerschaft der Arbeitsgemeinschaft ein Fachdienst eingerichtet, der die Beteiligten berät, mit den öffentlichen und privaten Kindergartenträgern zusammenarbeitet und die Unterstützung vor Ort im Kindergarten organisiert. Ziel ist es, in der konkreten Situation im Kindergarten Voraussetzungen zu schaffen, die diesen Kindern im Alltag angemessene Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten eröffnen und die Einrichtung und das Umfeld integrations- bzw. inklusionsfähig machen.

Baustein QualifizierungUm die in den Richtlinien vorgesehenen pädagogischen und begleitenden Hilfen im Kindergarten vorhalten zu können, organisiert das Personal des Fachdienstes einen "Pool" von InklusionsassistentInnen, die dem jeweiligen Unterstützungsbedarf entsprechend vor Ort flexibel eingesetzt werden können.


2. Aufgaben und Zielsetzung des Qualifizierungsprojekts

Wenn bisher Kinder mit Behinderungen in Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg aufgenommen wurden, konnte aus finanziellen und organisatorischen Gründen für die Einrichtung häufig keine zusätzliche Unterstützung angeboten werden. In Einzelfällen standen Zivildienstleistende oder andere Personen zur Verfügung, die pflegerische Anteile übernehmen konnten, aber den gesamten Bedarf nur unzureichend abdecken konnten. Durch die neuen Richtlinien wird es möglich, ein differenziertes Unterstützungsangebot vorzuhalten, das durch InklusionsassistentInnen abgedeckt werden soll. Dabei handelt es sich um Personen mit einer pflegerischen oder pädagogischen Grundausbildung, die mit einem unterschiedlichen zeitlichen Aufwand im Projekt mitarbeiten und qualifiziert werden sollen. Gedacht ist zunächst an nichtberufstätige Fachkräfte z.B. im Erziehungsurlaub, Arbeitslose und WiedereinsteigerInnen in den Beruf.

Baustein QualifizierungWeil bisher in Baden-Württemberg kaum systematische Aus- und Weiterbildungsangebote zur integrativen Erziehung für ErzieherInnen und pädagogisches Fachpersonal vorhanden sind, gibt es allgemein einen erheblichen Qualifizierungsbedarf. (Diese Feststellung schließt natürlich nicht aus, daß sich viele MitarbeiterInnen in Kindergärten in der konkreten Situation z. B. in der Zusammenarbeit mit der Frühförderung wichtige Kompetenzen angeeignet haben.)

Dies gilt insbesondere für die neu zu schaffende Rolle der InklusionsassistentIn, deren Anforderungs- und Qualifikationsprofil in Zusammenarbeit mit den Kindergartenträgern definiert und im Laufe des Projekts (weiter)entwickelt werden muß. Da es bisher außer der Ausbildung von (Stütz)-LehrerInnen an Integrationsklassen in einigen Bundesländern keine einschlägigen Erfahrungen gibt, müssen auch grundsätzliche Positionen erarbeitet und erprobt werden. Welche Erwartungen stellen sich in der Praxis an die Qualifikation dieser MitarbeiterInnen? Welche Anforderungen ergeben sich aus dem wissenschaftlich-fachlichen Diskurs? Wie lassen sich diese im Rahmen der baden-württembergischen "Integrationsrichtlinien" umsetzen?

Wie können sich die InklusionsassistentInnen z. B. die notwendigen integrationspädagogischen und pflegerischen Kompetenzen sowie Kenntnisse im Umgang mit technischen Hilfsmittel erwerben? Wie kann dieser Aneignungsprozeß organisiert werden?


3. Organisation der Qualifizierungsmaßnahmen

Die Qualifizierung der TeilnehmerInnen erfolgt über die Laufzeit des Gesamtprojekts (drei Jahre) in einem Zeitraum von jeweils einem Jahr pro Kurs auf drei Ebenen:

  • Individuelle Begleitung vor Ort in der Alltagspraxis des Kindergartens (Coaching)
  • Begleitseminar zur Reflexion der praktischen Arbeit und zum fachlichen Austausch
  • Seminar zu Grundlagen integrativer/inklusiver Pädagogik und Didaktik.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Mitarbeit an:

  • einem europäischen Erfahrungsaustausch zur gemeinsamen Erziehung im Kindergarten
  • einer geplanten Lernwerkstatt zu lebensweltorientierter Arbeit mit Kindern mit Behinderungen und ihren Familien unter Beteiligung der Eltern, ErzieherInnen und anderer Fachleute.

Baustein QualifizierungDie individuelle Begleitung vor Ort erfolgt im Rahmen des Gesamtkonzepts durch die MitarbeiterIn des Fachdienstes, um eine Überlastung der Kindergartensituation zu vermeiden.

Die Seminarangebote sollen in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Reutlingen und dem Fortbildungsinstitut der Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg durchgeführt und mit einer Zertifizierung abgeschlossen werden.

Die Lernwerkstatt ermöglicht die Beteiligung von Fachleuten, VertreterInnen der Politik und Verwaltung und interessierten BürgerInnen, insbesondere auch der örtlichen Elternorganisationen und Vereine als Lehrende und Lernende.


4. Personelle und sachliche Ausstattung

Für die Koordination und Leitung der Begleitseminare gehen wir von einer 0,30 Personalstelle und zusätzlichen GastdozentInnen aus.

Die Arbeitsgemeinschaft Integration stellt im Rahmen ihrer Möglichkeiten geeignete Büroräume und eine entsprechende Grundausstattung zur Verfügung. Angebote für Gruppen können in den benachbarten Räumen der Fachhochschule durchgeführt werden.

Baustein QualifizierungWegen der Fläche des Landkreises entstehen erhebliche Fahrtkosten evtl. müssen auch Kurse dezentral, etwa in Münsingen angeboten werden.


5. Transnationale Kooperation

Die mögliche transnationale Kooperation beinhaltet den Erfahrungsaustausch mit Einrichtungen in Italien und einem osteuropäischen Land (evtl. Tschechien) und die Frage der Qualifizierung von MitarbeiterInnen im europäischen Vergleich. Eine Erweiterung und ergänzende Finanzierung dieser Aktivitäten ist u.U. durch weitere Programme der EU möglich.


6. Wissenschaftliche Begleitung:

Die wissenschaftliche Begleitung wird von der Evang. Fachhochschule Reutlingen - Ludwigsburg im Kontext des Gesamtprojekts übernommen. Sie hat die Aufgabe entsprechende curriculare Vorstellungen / didaktische Programme / Module und ein prozessorientiertes Evaluationskonzept zu entwickeln und umzusetzen. Die wissenschaftliche Begleitung übernimmt Dipl. Päd. Jo Jerg, Leitung und Koordination Prof. Dr. Werner Schumann und Prof. Dr. Peter Seiberth, der Forschungsbeauftragte der Fachhochschule.


7. Finanzierung des Projekts:

Wir gehen von einer Laufzeit des Modellprojekts von vier Jahren aus. Die Kosten für die Qualifizierung der InklusionsassistentInnen, des weiteren Fachpersonals (Lernwerkstatt), die transnationalen Aktivitäten und die wissenschaftlichen Anteile der Projektarbeit werden über den Europäischen Sozialfond mitfinanziert. Ein Bewilligungsbescheid liegt vor.

Baustein QualifizierungJuli 2000 / März 2001

Helga Platen (Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V.)
Prof. Dr. Werner Schumann, Dipl. Päd. Jo Jerg (Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg)