Konzeption
Die überarbeitete Konzeption des Beratungs- und Assistenzdienstes zur Unterstützung der Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindergärten in Stadt Reutlingen und Landkreis Reutlingen.
Die überarbeitete Konzeption des Beratungs- und Assistenzdienst zur Unterstützung der Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindergärten in Stadt und Landkreis Reutlingen gliedert sich in folgende Punkte:
- Ausgangspunkt
- Bedarf
- Ziele und Aufgaben des Fachdienstes
- Organisation und Trägerschaft
- Wissenschaftliche Begleitung
- Finanzierung
Februar 2000/ Mai/September 2001
Helga Platen ; Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V.
Jo Jerg, Werner Schumann ; Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg
1. Ausgangspunkt
Auf dem Hintergrund der positiven Entwicklungen im Bereich der Integration im Kindergartenbereich (Kindergartengesetz, Umstrukturierung der Eingliederungshilfe) in Baden-Württemberg entwickelte die Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V. in Kooperation mit der Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg Ansätze einer Konzeption für einen Beratungs- und Assistenzdienst zur Unterstützung der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Kindertagesstätten in Stadt Reutlingen und Landkreis Reutlingen.
In der Folge wurden auf Reutlinger Ebene Gespräche mit dem zuständigen Bürgermeister, den LeiterInnen der Sozialämter und der Fachberatung der Stadt und des Landkreises geführt.
Zwischenzeitlich haben die Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württ.-Hohenzollern Richtlinien für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 40 Abs.1 BSHG in Kindergärten und allgemeinen Schulen erlassen, die zum 01. 08. 2000 in Kraft traten. In diesem Kontext erklärten sich das Landesjugendamt und Landessozialamt bereit, das von der AGI erarbeitete Projekt in Reutlingen zu unterstützen und die Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg mit der wissenschaftlichen Begleitung zu beauftragen.
Februar 2000/ Mai/September 2001
Helga Platen ; Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V.
Jo Jerg, Werner Schumann ; Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg
2. Bedarf
In Stadt und Landkreis gibt es seit vielen Jahre erfolgreiche Bemühungen um integrative Erziehung im Kindergarten. Auf dem Hintergrund der oben genannten Entwicklungen ist auch in Reutlingen mit einer zunehmenden Nachfrage an gemeinsamer Erziehung (in Kindergarten und Schule) und damit auch mit einem entsprechenden zusätzlichen Unterstützungsbedarf zu rechnen.
Der Bedarf läßt sich etwa an folgender Situation aufzeigen:
Die Eltern haben Interesse bzw. melden ihr Kind mit Behinderungen im Kindergarten
ihres Wohngebiets an. Der Kindergarten hat Bedenken, weil aus seiner Sicht
die Voraussetzungen nicht stimmen. Was passiert? Im günstigeren Fall erklärt
sich der Kindergarten grundsätzlich bereit, das Kind aufzunehmen, wenn eine
entsprechende Unterstützung der ErzieherInnen zur Verfügung steht und die
Fachberatung zustimmt. Der Bedarf an Unterstützung muß in Zusammenarbeit mit
der Frühförderung oder anderen beteiligten Stellen festgelegt werden. Beim
Sozialamt stellen die Eltern einen Antrag nach §39 BSHG. Interne und /oder
externe Unterstützungsangebote müssen bedacht und organisiert werden.
Wer unterstützt die Eltern? Wer koordiniert diese Aktivitäten? Wer wählt die Person aus, die die Assistenz im Kindergarten übernimmt? Wer qualifiziert sie für diese Aufgabe und begleitet sie im pädagogischen Alltag.? Wer wird Anstellungsträger? etc.
Bisher haben die Kindergärten, die Eltern oder die sonst beteiligten Stellen diese Aufgaben im Rahmen ihrer Möglichkeiten übernommen. Nach unseren Erfahrungen sind aber Eltern und Einrichtungen häufig überfordert, weil die Zuständigkeiten nicht klar sind und die Ressourcen der Beteiligten nicht ausreichen. Der AGI sind aus ihrer Beratungstätigkeit Situationen bekannt, wo Integrationsbemühungen an diesen Schwierigkeiten gescheitert sind, oder deswegen schon gar nicht unternommen wurden.
Februar 2000/ Mai/September 2001
Helga Platen ; Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V.
Jo Jerg, Werner Schumann ; Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg
3. Ziele und Aufgaben des Fachdienstes
Aus der Sicht der Arbeitsgemeinschaft Integration, sollte in Reutlingen ein unabhängiger Integrationsfachdienst gegründet werden, der diese Aktivitäten koordiniert und MitarbeiterInnen von Kindergärten und Eltern bei der Integration von Kindern mit Beinträchtigungen / Behinderungen in allen Belangen unterstützt. (Entsprechende Erfahrungen liegen im Landkreis Heidenheim vor.) Dieses Konzept soll im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands erprobt und wissenschaftlich ausgewertet werden.
Das Angebot richtet sich an Kindern mit unterschiedlichen körperlichen, geistigen Behinderungen (§39 Abs.1, 2 BSHG) oder seelischen Behinderungen (§ 10 und 35 a KJHG / SGBVII), deren Eltern sich eine integrative Erziehung wünschen.
Der Dienst hat das Ziel, in der konkreten Situation Eltern und Kindergarten zu unterstützen, um Kindern mit und ohne Behinderungen im Alltag angemessene Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen und die Integrationsfähigkeit der Einrichtung und des sozialen Umfelds zu stärken.
Das Dienstleistungsangebot an Eltern und Kindergärten umfaßt etwa folgende Bereiche:
3.1 Die Erschließung von fachlichen und lebensweltlichen Ressourcen zur Unterstützung der Integration.
Dies wird vor allem durch die Organisation eines "Pools" von MitarbeiterInnen ermöglicht, die Assistenzleistungen im Bereich "pädagogischer" oder "begleitender Hilfen" erbringen und dem jeweiligen Unterstützungsbedarf entsprechend vor Ort flexibel eingesetzt werden können.
Der Dienst wählt die MitarbeiterInnen aus, übernimmt ihre Vorbereitung und Begleitung in der Alltagspraxis und sichert ihre arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen.
Der Dienst hat auch die Aufgabe in Kooperation mit dem Team im Kindergarten die internen Ressourcen zu aktivieren und das soziale Umfeld (z. B. Eltern der Kinder ohne Beeinträchtigungen) mit zu gestalten.
3.2 Die Unterstützung der Eltern bei der Wahl des integrativen Weges und der Regelung der anstehenden inhaltlichen, organisatorischen und rechtlichen Fragen.
Obwohl von Seiten der Stadt und des Landkreises das Aufnahmeverfahren klar geregelt ist, sind die Eltern auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten in manchen Situationen überfordert. Der Dienst ist ein zentraler Ansprechpartner für die Fragen, die sich im Verlauf des Prozesses ergeben.. Er bestärkt die Eltern in der Wahrnehmung ihrer Beteiligungsmöglichkeiten und vertritt wo nötig ihre Interessen. Dabei geht es darum, im Rahmen der Möglichkeiten akzeptable Bedingungen zu schaffen, die dem Bedarf des Kindes und den Bedürfnissen der anderen Beteiligten Rechnung tragen. Der Dienst unterstützt die Eltern bei der Beantragung der Mittel zur Finanzierung des Unterstützungsbedarfs.
3.3 Die Koordinierung des Integrationsprozesses in Zusammenarbeit mit den beteiligten Stellen, insbesondere den Trägern der Kindergärten und den Beratungsstellen der Frühförderung.
Die Situation bei der Aufnahme eines Kindes mit Behinderungen in den Regelkindergarten ist für Eltern durch eine differenzierte Angebotsstruktur mit unterschiedlichen Interessen und Zuständigkeiten geprägt. Auf Anfrage der Kindertageseinrichtung und/oder der Eltern übernimmt der Dienst die Koordination der einzelnen Aktivitäten und versucht, wo notwendig durch die Organisation von "Runden Tischen", alle Beteiligten in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen und die Aktivitäten zu vernetzen. Er entlastet die Eltern und die MitarbeiterInnen von Organisationsaufgaben.
3.4 Die Qualifizierung der beteiligten Fachkräfte durch Beratung in der Situation vor Ort und evtl. durch Fortbildungsangebote in Kooperation mit anderen Stellen.
Die Begleitung der Person, die die Assistenz vor Ort übernimmt, bietet vielfältige Möglichkeiten den Integrationsprozess im Team mit zu gestalten. Die Qualifizierung erfolgt hier im Kontext kollegialer Beratung mit Unterstützung des Dienstes. Da sicher nicht in allen Einrichtungen Integrationserfahrungen vorliegen, bietet es sich auch an, auf Erfahrungen anderer Einrichtungen zurückzugreifen und die Arbeit auf dem Hintergrund theoretischer Ansätze interdisziplinär zu reflektieren.
(Im Verlauf des Projekts wurde in Kooperation mit der Volkshochschule und dem Institut für Fort- und Weiterbildung der Evang. Fachhochschule Reutlingen - Ludwigsburg ein zusätzliches Qualifizierungprojekt für InklusionsionsassistentInnen konzipiert. Vgl. Konzeption des Modellprojekts)
3.5 Öffentlichkeitsarbeit
Das Dienstleistungsangebot - Unterstützung der Integration im Kindergarten- muß auf dem regionalen "Markt" bekannt gemacht werden. Das gilt sowohl für die Arbeit des Dienstes wie auch für die Leistungen und Qualitätsstandards der Kindergärten im Hinblick auf die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz auch für Kinder mit Behinderungen.
Dabei orientiert sich die AGI als Elternorganisation allgemein an der europaweiten formulierten Position der Inklusion von Menschen mit Behinderungen, als selbstverständliche Teilhabe in allen Lebensbereichen. Die neuen Richtlinien ermöglichen im Kindergartenbereich in Baden-Württemberg einen wichtigen Schritt in diese Richtung an dem auch die (Fach-)Öffentlichkeit beteiligt werden sollte.
Februar 2000/ Mai/September 2001
Helga Platen ; Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V.
Jo Jerg, Werner Schumann ; Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg
4. Organisation und Trägerschaft
Die Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V. hat mit Unterstützung des Landessozialamts und des Landesjugenamts die Trägerschaft für den Integrationsfachdienst in Stadt und Landkreis übernommen. Sie wird dabei in Personal- und Verwaltungsfragen von der Gustav-Werner-Stiftung unterstützt.
Die AGI stellt zwei Fachkräfte ein ( je 50% Stelle), die diese Aufgaben wahrnehmen. Vorstand und Mitglieder des Vereins unterstützen die Arbeit auf ehrenamtlicher Basis.
Der Dienst verfügt über Büroräume mit einer entsprechenden Ausstattung, die die AGI im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verfügung stellt.
Der Fachdienst arbeitet ambulant und gemeindenah. Er kooperiert mit den TrägerInnen, der Leitung und den MitarbeiterInnen der Kindergärten, mit den Eltern und den zuständigen Ämtern Er sucht die Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen der Frühförderung und den therapeutischen Anbietern, um die fachliche Unterstützung im Integrationsprozeß zu gewährleisten.
Die Hauptaufgabe des Dienstes ist die Organisation des "Pools" von fachlich qualifizierten MitarbeiterInnen, die flexibel eingesetzt werden können. Gedacht ist neben (arbeitslosen ErzieherInnen und anderen päd. Fachkräften an Frauen und Männer mit pädagogischen Kompetenzen (in der Familienphase), und Studierende. Der arbeitsrechtliche Status muß im Einzelfall geklärt werden. Um einen Pool mit qualifizierten Kräften vorhalten zu können, sind längerfristig u.U. zeitlich flexible Teilzeitarbeitsverhältnisse anzustreben. Bei der Gewinnung und Vorbereitung dieses Personals soll das hauptamtliche Personal des Dienstes durch die Mitglieder der AGI unterstützt werden.
Februar 2000/ Mai/September 2001
Helga Platen ; Arbeitsgemeinschaft Integration Reutlingen e.V.
Jo Jerg, Werner Schumann ; Evang. Fachhochschule Reutlingen-Ludwigsburg